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    Nachhaltigkeit im Fußball Redakteurin Susanne Blech im Interview mit Johannes Jäger, CSR Manager im Fußball-Business und studierter Sportökonom.

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    Nachhaltigkeit im Fußball (NIF): Herr Jäger, Sie möchten als studierter Sportökonom, passionierter Fußballer und zertifizierter CSR-Manager mit internationalen Erfahrungen frischen Wind in die Unternehmensführung der Fußball-Clubs bringen. Welche Vision verfolgen Sie dabei?

    Johannes Jäger: Ehrenamtlich geführte Fußballvereine mit begrenztem lokalem Wirkungskreis haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu Wirtschaftsunternehmen entwickelt, die sich nicht mehr nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich im nationalen und internationalen Wettbewerb positionieren müssen. Als regional verankerte Wirtschaftsunternehmen mit hohem Identifikationspotenzial sind sie aber auch mehrdimensional in gesellschaftliche Entwicklungen eingebunden. Genau wie andere Wirtschaftsunternehmen, tragen Fußballclubs innerhalb ihres ökonomischen, ökologischen und sozialen Wirkungskreises Verantwortung gegenüber Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt.

    Die hohe öffentliche Aufmerksamkeit und Medialisierung des Fußballs bietet in diesem Kontext einen optimalen Rahmen und vielfältige Möglichkeiten, Strategien im Bereich CSR umzusetzen und diese erfolgreich zu kommunizieren. Bei einer erfolgreichen CSR-Strategie profitieren Unternehmen meiner Meinung nach in hohen Maße – ob durch die Förderung der Stakeholder-Identifikation und -loyalität, die Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit, die Senkung von Kosten im Bereich Energieeffizienz, Umsatzsteigerungen im Bereich Sponsoring, Merchandising oder Ticketing oder durch die Aufbesserung von Image und Reputation.

    Ich spreche mich keinesfalls gegen die Ökonomisierung und Kommerzialisierung des Fußballsports aus, sondern für die Einhaltung eines fairen Wettbewerbs und ethischen Grundsätzen sowie der Annahme der gesellschaftlichen Verantwortung des Sports im ökonomischen Kontext. Regional verankerte Traditionsclubs dürfen der Kommerzialisierung des Fußballsports nicht zum Opfer fallen.

    NIF: Sie haben sowohl beim Everton FC als auch beim Manchester City FC mitgearbeitet. Was hat Sie dazu bewogen das CSR Management in der Premier League zu studieren und welche Schlussfolgerung ziehen Sie für die Bundesliga?

    Johannes Jäger: Während meines einjährigen Praktikums bei Bayer 04 Leverkusen und dem Abschluss meiner Bachelorarbeit im Unternehmen durfte ich Bayer 04 bei einem internationalen Seminar der Premier League in Liverpool repräsentieren. Hier habe ich viel über die Praktiken der englischen Clubs gelernt und inspirierende Erfahrungen gesammelt. Jeder der 20 Premier League Clubs hat seine eigene Stiftung, beim Everton FC beispielsweise obliegen alleine diesem Bereich 100 fest angestellte Mitarbeiter. Diese Stellen werden vollständig von der Premier League finanziert. In den Projekten werden demenzkranke Rentner mit ehemaligen Profis zusammengebracht, unter posttraumatischen Belastungsstörungen leidende Kriegsveteranen wieder an die Gesellschaft zurückgeführt, kriminelle Jugendliche resozialisiert oder behinderten Menschen im größten Behindertenfußball-Projekt der Welt der Zugang zu Sportangeboten ermöglicht.

    Darüber hinaus hat der Club gerade einen Preis als mitarbeiterfreundlichster Verein Großbritanniens bekommen. Everton FC, auch als The People’s Club bekannt, steht finanziell gesund da, hat ein Environmental Management System eingeführt, mit dem jährlich 1.8 Millionen Liter Wasser gespart und knapp 200 Tonnen Plastik, Papier und Pappe recycelt werden. Durch die Einführung eines Active Travel Plans werden Mitarbeiter sowie Fans und andere Stakeholder finanziell und logistisch dabei unterstützt, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Stadion zu kommen. Das musste ich einfach sehen! Mein mehrmonatiger Aufenthalt beim FC Everton und der anschließende Einblick bei Manchester City hat bei mir den Eindruck hinterlassen, dass sich die Bundesliga im Bereich Soziales viel bei der Premier League abschauen kann.

    Im ökologischen Bereich bieten aber gerade die Bundesliga und ihre Clubs viele Positivbeispiele, die im Umweltreport der Bundesliga nachzulesen sind. Im Bereich der ökonomischen Verantwortung ist die Bundesliga meiner Meinung nach vielen Clubs der Premier League weit voraus. In Deutschland hat man der Übernahme von privaten Investoren mit der Einführung der 50+1-Regel entgegengewirkt. Die Mehrheit des Kapitals darf zwar in der Hand privater Investoren liegen, diese dürfen jedoch keine Stimmenmehrheit übernehmen. Eine moralisch fragwürdige Übernahme von Investoren, die regional verankerte Fußballunternehmen im Ausland als Spielzeug aufgekauft haben und ihnen die lokale Identifikationskraft genommen haben, ist in der Bundesliga in der Form nicht möglich. Wir haben größtenteils gesunde Fußballclubs mit einer gesunden Wertschöpfung.

    NIF: Welche Organisationstypen bzw. welche Rechtsformen eignen sich im Fußball besonders für die Implementation und Strategiefähigkeit eines CSR Managements? Welche Probleme ergeben sich Ihrer Meinung nach aus der weit verbreiteten Vereinsstruktur?

    Johannes Jäger: Der Trend zur Ausgliederung der Abteilung Profifußball in Kapitalgesellschaften ist grundsätzlich nachvollziehbar. Der Rechtsform eines Vereins, der per Definition gemeinnützig ist und keinen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, wird der heutige Profifußball in seiner ökonomischen Positionierung nicht mehr gerecht, auch wenn das unromantisch klingt. Eine GmbH & Co KG auf Aktien wahrt die 50+1-Regel, die Veräußerung an Investoren geschieht nur bei Zustimmung des Vereins und innerhalb des Komplementärs kann der Verein alleiniger Gesellschafter bleiben. Das halte ich für keine schlechte Idee und gibt die Chance, neue Finanzierungsmöglichkeiten zu implementieren und gleichzeitig die Interessen des Vereins zu wahren. Alternative Finanzierungsformen, wie Spielerfonds (in Portugal im Trend), Strategische Partnerschaften (FC Bayern München & Audi bzw. Adidas) oder die Ausgabe von Fananleihen sollten dabei nie von vornherein abgelehnt werden.

    Im Kontext CSR stehe ich schon auf der Seite des traditionellen Fußballfans, auch wenn ich mich nicht gegen eine Ausgliederung in eine Kapitalgesellschaft ausspreche. Der Fußballsport, selbst aus der Gesellschaft erwachsen, darf dieser nicht Stück für Stück entrissen werden. Ein Mitspracherecht bzw. eine Rücksichtnahme und Wahrung der Interessen der Fans sollte elementarer Bestandteil der Strategie sein, Stichwort Stakeholder-Dialog. Zur Umsetzung von CSR im Unternehmen ist es in erster Linie wichtig, Strukturen zu schaffen, die ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit im Unternehmen verankern, unabhängig von der Rechtsform. Dies kann durch die Etablierung eines CSR-Managementsystems geschehen, durch einen ligaweiten CSR-Arbeitskreis (Beispiel Bundesliga), durch die Gründung eines CSR-Teams innerhalb des Unternehmens, aber auch schon durch einen Code of Conduct.

    Um glaubwürdig und transparent zu sein, muss CSR aber ganzheitlich umgesetzt werden, von der normativen über die strategische bis hin zur operativen Ebene und im Dialog mit sämtlichen relevanten Stakeholdern – und zwar im Kerngeschäft!

    NIF: In Deutschland steigen im Fußball beständig die Zuschauerzahlen und Umsätze. Der Profifußball erzeugt jährlich eine Wertschöpfung von mehr als 5 Mrd. Euro. Von welchen Akteuren – angefangen von Vereinen, Verbänden und Spielern über Fans und Zuschauer hin zu Sponsoren, Ausrüstern, Lieferanten und Medien – wünschen Sie sich Impulse für mehr Nachhaltigkeit?

    Johannes Jäger: Falsch wäre es, ganz oben anzufangen. Hier lässt sich bei allem Optimismus so schnell nichts verändern. Veränderungen müssen schon bei der Basis starten. Hier sehe ich in erster Linie die Clubs und ihre Stakeholder, insbesondere Sponsoren und Ausrüster, in der Verantwortung. Da ich CSR als eine Strategie der Zukunftsfähigkeit sehe, die mit vielen Wettbewerbsvorteilen verbunden ist, wird der Impuls zunehmend intrinsisch von den handelnden Akteuren selbst kommen, was auch den höchsten Grad an Nachhaltigkeit verspricht – weit vor aufoktroyierten regulierenden Maßnahmen.

    Für eine konsequente Umsetzung von CSR gibt es aus meiner Sicht in Zukunft keine Alternativen mehr. Wer nicht verantwortungsvoll wirtschaftet, wird verlieren – das haben wir jüngst im Finanzsektor gesehen. Und ich rede nicht von Corporate Citizenship, philanthropisch motivierten Sozialprojekten oder Saufen für den Regenwald, sondern von einer ganzheitlichen, zukunftsfähigen und verantwortlichen Unternehmensstrategie.

    Wir können aber auch eine Stufe höher gehen. Die Ligen und Verbände haben die gleiche Verantwortung zu tragen. Die Premier League geht hier mit ihrem sozialen Engagement voraus, die Bundesliga hat mit der Gründung der Bundesliga-Stiftung und dem Umweltreport einen wichtigen Schritt gemacht. Handlungsbedarf gibt es allerdings überall; hier sind für mich die Bereiche Sponsoring, Energieeffizienz oder Transfers die größten Baustellen. Optimal wäre ein Instrument, vergleichbar mit der ISO 26000, dem Global Reporting Index oder der Charta der Vielfalt, zugeschnitten auf den Fußballsektor und seine Besonderheiten – und zertifizierbar!

    NIF: Dem DFB Umweltreport zufolge messen 80% der Clubs in der ersten und zweiten Bundesliga dem Umweltschutz eine große Bedeutung bei. Ist ein umfassendes Verständnis von Nachhaltigkeitsmanagement bereits in der Unternehmensführung angekommen?

    Johannes Jäger: Das kann ich nur eingeschränkt beantworten. Auf den ersten Blick fragt man sich vielleicht, in welchen Bereichen der Umweltschutz den Fußball überhaupt betrifft. Fußballclubs sind keine produzierenden Unternehmen, deren Wertschöpfungsketten sich über zig logistische und geographische Stufen erstrecken, sondern regional verankerte Dienstleister, deren Fans in Massen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Spielen fahren. Gerade der Weg zum Stadion stellt jedoch nach Greenpeace den größten Anteil in der CO2-Bilanz eines Bundesligisten dar. Hinzu kommen Beleuchtungs- und Bewässerungsanlagen und Rasen-Bestrahlungsanlagen mit einem täglichen Energieverbrauch zweier Einfamilienhäuser pro Jahr. Das Thema ist also allgegenwärtig.

    Zu beurteilen, ob ein umfassendes Verständnis bereits in der Unternehmensführung angekommen ist, steht mir nicht zu. Ich weiß nur, dass es zahlreiche Positivbeispiele für ein Umdenken gibt und viele Bundesligisten bereits erfolgreich Konzepte im Bereich Umweltschutz umsetzen. Ein vorbildliches und nachhaltiges Engagement zeigt beispielsweise der FSV Mainz, der sich erfolgreich dem Ziel „Klimaneutralität“ widmet und in diesem Zuge zum Beispiel auf Ökostrom umgestellt hat – aber die sind nicht die Einzigen!

    NIF: Sie haben auch längere Zeit bei der Schweizer Scort Foundation mitgearbeitet. Welches Ziel verfolgt die Stiftung und um was handelt es sich bei der Football Club Social Alliance?

    Johannes Jäger: Die Scort Foundation hat ein Konzept entwickelt, wie sich Profi-Fußballclubs nachhaltig in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit engagieren können. Unter dem Namen “The Football Club Social Alliance” ist von der Stiftung ein internationales Netzwerk europäischer Profi-Fußballclubs ins Leben gerufen worden, die sich gemeinsam sozial engagieren. Ressourcen der Clubs werden hierbei gebündelt und das Engagement setzt nah am Kerngeschäft an. So wird vermieden, dass soziales Engagement nur als PR-Aktion eines Clubs endet, sondern vielmehr eine nachhaltige Entwicklung vorantreibt. Während die Stiftung die Verwaltung der Alliance und das gesamte Projektmanagement übernimmt, tragen die Clubs im Rahmen der Projekte mit ihren Experten dazu bei, junge Menschen auszubilden.

    Heute sind der SV Werder Bremen, Bayer 04 Leverkusen, der FC Basel 1893, Queens Park Rangers FC und FK Austria Wien feste Mitglieder dieses Netzwerks. Darüber hinaus nahmen in den letzten Jahren der FC Liverpool, FC Barcelona, Manchester City FC, Everton FC oder Sunderland AFC als Partnerclubs an Projekten teil. Gemeinsam haben die Clubs in den letzten Jahren über 250 junge Frauen und Männer im Rahmen einjähriger Ausbildungsprojekte in Ländern wie Uganda, Palästina, Sri Lanka, Sudan, Kosovo oder Indonesien zu Kinderfußball-Trainern mit speziellen Kompetenzen im sozialen Bereich (z.B. Hygiene, Malaria-Prävention, Konfliktlösung) ausgebildet.

    Diese jungen Menschen werden von den Clubs inspiriert, in ihren Communities eine Vorbildfunktion zu übernehmen. Inzwischen arbeiten diese ausgebildeten Young Coaches regelmäßig mit über 10000 Kindern in den verschiedenen Ländern und beeinflussen deren Leben positiv. Darüber hinaus hat die Stiftung ein Behindertenfußballprojekt ins Leben gerufen, bei dem (Behinderten-) Fußballexperten der Clubs Jugendliche und junge Erwachsenen mit einer geistigen und/oder körperlichen Behinderung eine Trainerausbildung ermöglichen.

    NIF: Welcher Stellenwert kommt in der CSR Debatte im Fußball dem ökonomischen Aspekt zu?

    Johannes Jäger: Ein sehr großer. Wir dürfen nicht vergessen, dass Fußballunternehmen in erster Linie eine ökonomische Verantwortung tragen. Die explosionsartige Popularität und zunehmende Medialisierung des Fußballs im 20. und 21. Jahrhundert sorgte für den Bau von großen Arenen, Spielertransfers, die heute die 100 Millionen-Grenze überschritten haben und Stadionnamen, die für Sponsoring-Zwecke an Großkonzerne verkauft werden. Fußballvereine, die selbst aus der Gesellschaft erwachsen sind, haben sich zu Wirtschaftsunternehmen entwickelt, die sich – wie eingangs erwähnt – im internationalen Wettbewerb positionieren müssen.

    Als die Football Association (FA) in England irgendwann Restriktionen zur Bildung von Limited Companies vorgab und die Vereine überschüssige Assets an die Gesellschaft zurückfließen lassen mussten, war die Verbindung zu den eigenen Communities vorerst wieder hergestellt. Ende des 20. Jahrhunderts ist dieses System jedoch teilweise zerbrochen. Immer mehr private Investoren erhielten Einzug in einen Sport, der ursprünglich der Bevölkerung galt – dann gingen die ersten Clubs an den Aktienmarkt. Die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs in England macht die Premier League heute zur reichsten Liga der Welt.

    Der sportliche Erfolg treibt wiederum die TV-Einnahmen in die Höhe, die Liga hat mittlerweile auch den asiatischen Markt erobert. Wir reden also von einem ökonomischen Konstrukt, in dem Fußballclubs genau wie andere Institutionen als teils internationale Unternehmen agieren. Damit geht jedoch auch eine große Verantwortung einher.

    Viele positive Aspekte dieser Verantwortung sind Fußballclubs bereits immanent: Sie bieten von der Gesellschaft nachgefragte Produkte und Dienstleistungen an, generieren Steuergelder, beschäftigen Mitarbeiter und bilden junge Menschen aus und haben darüber hinaus einen positiven Einfluss auf viele andere Branchen (Tourismus, Gastronomie, Infrastruktur, Medien, Versicherungen usw.), Stichwort Satellitenmärkte.

    NIF: Stichwort Financial Fairplay. Die Umsatzsteigerung der Profi-Clubs werden in der Bundesliga, der Premier League und der La Liga weitgehend an die Spieler durchgereicht, so dass es in der EU zu einer Preisspirale steigender Spielergehälter, hohen Ablösesummen und zu einem Konzentrationsprozess unter den Clubs kommt. In den USA stehen den Sportclubs hingegen nur eine gedeckelte Gesamtsumme für Spielerhonorare zur Verfügung. Wie hängt Financial Fairplay mit Vielfalt im Wettbewerb zusammen und welche Entwicklung wird es hier Ihrer Meinung nach in Deutschland geben?

    Johannes Jäger: Grundsätzlich sollte eine Regulierung hier meiner Meinung nach erst stattfinden, wenn das System gefährdet ist. Und das ist heute teilweise der Fall. Ich halte die Einführung des Financial Fairplay mit seinen sportlichen, infrastrukturellen, rechtlichen und finanziellen Kriterien in diesem Kontext für eine gute Idee. Bisher fehlt es jedoch an einer konsequenten Umsetzung. Salary Caps, begrenzte Investitionen in Spieler und profitable Clubs halte ich zu einer Wahrung des fairen Wettbewerbs für ein gutes Konzept, das in den USA aufgeht. Eine europa- oder sogar weltweite Durchsetzung für die Fußballbranche ist jedoch auch eine riesige Herausforderung.

    Die Vielfalt im Wettbewerb geht durch die Regulierung schon nicht verloren; dafür bietet der Fußball zu viele sportliche Unsicherheitsfaktoren. Ein maximal möglicher Marktanteil, der in der Wirtschaft eigentlich ein erstrebenswertes Ziel ist, kommt im Fußball gar nicht in Frage, weil die Dienstleistung Fußball erst zustande kommt, wenn sich Einheiten finden, die bis zu einem gewissen Maße kooperieren. Aus einer Uni-Vorlesung ist mir in diesem Zusammenhang der Begriff Kooperenz in Erinnerung geblieben, also eine Mischung aus Kooperation und Konkurrenz. Zumal besagt das Louis Schmeling Paradoxon, welches wissenschaftlich häufig belegt wurde, dass eine zu große Dominanzbeziehung für die Attraktivität einer Liga nicht gerade förderlich ist.

    Ich glaube, dass die deutschen Clubs gar nicht so sehr vom Financial Fairplay betroffen sind, weil sie in den meisten Fällen (!) gesunde, unverschuldete Unternehmen sind, die die Vorgaben weitestgehend schon vor der Einführung des Financial Fairplay eingehalten haben. Da schaut es in der Premier League oder La Liga schon anders aus. Die Bundesliga wird meiner Meinung nach von ihren fortschrittlichen ökonomischen Strukturen, ihrer vorbildlichen Nachwuchsarbeit und auch von ihrem Sponsoring-Verhalten profitieren, wenn das Financial Fairplay konsequenter durchgesetzt werden würde.

    NIF: Auf welche Weise kann CSR das Identifikationskonzept eines Clubs verändern?

    Johannes Jäger: Identifikation spielt meiner Meinung nach im CSR-Kontext eine essentielle Rolle. Bei all den ökonomischen Diskussionen vergessen wir nämlich schnell, wo der Fußball eigentlich her kommt. Im argentinischen Derby zwischen River Plate und Boca Juniors Buenos Aires wird die Kluft zwischen Ober- und Unterschicht deutlich, in Schottland repräsentieren die Clubs Glasgow Rangers und Celtic Glasgow die protestantische und katholische Kirche, als Pélé sein tausendstes Tor schoss, läuteten in ganz Brasilien die Kirchenglocken und das Lied You’ll Never Walk Alone steht auf der ganzen Welt für die Identifikation der Fans des Liverpool FC mit ihrem Verein. Bei all diesen Themen geht es meiner Meinung nach nur um eines: Identifikation. Diese leidet jedoch unter der zunehmenden Kommerzialisierung des Sports.

    Beispiel Premier League: Der Zukauf internationaler Topstars macht die Liga attraktiv, sorgt jedoch auch dafür, dass der eigene Nachwuchs vernachlässigt wird. Die kontinuierliche Erhöhung der Ticketpreise und der Ausbau der Hospitality-Pakete in den Stadion verspricht zwar hohe Umsatzzahlen, nimmt dem traditionellen Fußballfan jedoch häufig die Möglichkeit, selbst ins Stadion zu gehen. Die Übernahme privater Investoren ist finanziell zwar lukrativ, nimmt jedoch den Clubs auch die für die Identifikation und Loyalität essentielle Selbstbestimmung.

    All dies schadet der Identifikationskraft meiner Meinung nach ungemein. Die gesellschaftliche Akzeptanz des Profifußballes steht bei einigen traditionellen Fußballfans gerade in England auf wackeligen Füßen. Jedoch arbeitet die Premier League diesem Effekt bis heute beeindruckend entgegen, in den Clubs wird in Zusammenarbeit mit Spezialisten Community Work in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Integration oder Resozialisierung betrieben und sämtliche Projekte werden finanziell von der Premier League unterstützt. Diese Projekte beeinflussen die regionale Akzeptanz und Identifikationskraft überzeugend.

    Die weitere Implementierung einer CSR-Strategie auch im ökonomischen und ökologischen Bereich kann hier Gold wert sein. So können sich Fans, Mitarbeiter oder Sponsoren auch in diesen Bereichen wieder besser mit den Clubs identifizieren. CSR-Strategien haben meiner Meinung nach einen messbaren, positiven Einfluss auf die Identifikationskraft eines Fußballclubs.

    NIF: Knapp 70% der im Sport werbenden Unternehmen geben an, dass sich Fußball sehr gut für Sponsoring-Aktivitäten eignet. Der Werbeeffekt ist umso größer, je glaubwürdiger Werte wie Team- und Wettbewerbsgeist, Fairplay, Sportlichkeit und Authentizität in der Werbung transportiert werden können. Trägt Ihrer Erfahrung nach Engagement im Bereich CSR und Nachhaltigkeit zu einem Imagegewinn oder sogar Wettbewerbsvorteil bei der sich positiv auf das Sportsponsoring auswirkt?

    Johannes Jäger: Fußball eignet sich meiner Meinung nach grundsätzlich hervorragend für Sponsoring-Aktivitäten, weil man als Sponsor Zugang zu sämtlichen Gesellschaftsschichten bekommen kann. Die Tendenzen einer globalen Verdichtung und Vernetzung ökonomischer, politischer, ökologischer und kultureller Bereiche betreffen auch den Fußball; er spiegelt gesellschaftliche Realitäten und Orientierungen wider, und das können sich Sponsoren zum Vorteil machen. Es geht nicht nur um elf gegen elf, sondern um Emotionen, Glaubensfragen, Identifikation, Vorbilder und Erfolg.

    Gerade auf diesen Ebenen können Sponsoren einen hervorragenden Imagetransfer erzielen. Im Kontext CSR kann dieser Effekt auch genutzt werden. Beim FC Everton erfährt das Fundraising und Sponsoring für das soziale Engagement beispielsweise eine höhere Nachfrage, seitdem das Community Department in eine Stiftung ausgegliedert wurde. So bekommen Sponsoren die Möglichkeit, sich gezielt einem bestimmten sozialen Projekt zu widmen, was das Sponsoring transparenter und somit auch glaubhafter macht.

    Ich behaupte: Gerade diese Sponsoren, die gesellschaftliche Verantwortung demonstrieren wollen, tun sich schwer, Fußballclubs als Ganzes zu unterstützen, da diese für eine derartige Ausrichtung häufig zu angreifbar sind. Wer zu offensiv für seine Nachhaltigkeit wirbt, gerät schnell ins Visier von Konkurrenten oder NGOs. Wer also tatsächlich eine kompetente CSR-Strategie vorzeigen kann, wird auch im Sponsoring von entsprechenden Unternehmen unterstützt werden, die wiederum selbst von dieser Ausrichtung profitieren werden. Das ist zumindest meine Vision. Auch wenn der sportliche Erfolg zugegebenermaßen immer der größte Magnet für Sponsoren sein wird.

    NIF: Welche Konfliktbereiche erkennen Sie zwischen CSR Management und Sponsoring?

    Johannes Jäger: Zuerst einmal müssen wir den Stellenwert des Sponsorings ausmachen. Circa ein Drittel der Einnahmen (neben Ticketing und TV-Vermarktung in gleichen Anteilen) erwirtschaften Europäische Fußballclubs durch Sponsoring – eine unverzichtbare Geldquelle. Im Bereich CSR sehe ich im Fußball zwei große Konfliktpunkte. Zum einen kommt dem Kriterium Nachhaltigkeit bei der Auswahl der Sponsoren meiner Meinung nach keine ausreichende Bedeutung zu. Dafür gibt es zahlreiche prominente Beispiele, von fragwürdigen Textildiscountern bis hin zu Großmetzgern. Zum anderen kann die Art und Weise des Sponsorings einen fairen Wettbewerb gefährden. Beispiel Manchester City, das neben seinem herausragenden sozialen Engagement leider auch im Slalom durch das Financial Fairplay gedribbelt ist und dieses Jahr erstmalig bestraft wurde.

    Hier geht es jetzt nicht um meine Erfahrungen in einem außerordentlich gastfreundlichen und engagierten Club, der mir in kürzester Zeit Antworten auf viele kritische Fragen gegeben hat, sondern um vielfach veröffentlichte Diskussionen: Ein Öl-Milliardär kauft den Verein 2008 auf. Anschließend investiert er Unsummen in Transfers und Infrastruktur eines finanziell defizitären Clubs. Der Hauptsponsor Etihad Airways zahlt über zehn Jahre knapp eine halbe Milliarde.

    Und jetzt kommt’s: Die Fluggesellschaft gehört dem Herrscher von Abu Dhabi und Halbbruder des Klubbesitzers. Entscheidende Frage dabei: Welchen Marktwert hat dieses Sponsoring und ab welchem Punkt sprechen wir von Scheinsponsoring? Diese Deals gefährden einen fairen Wettbewerb und werden zu Recht untersucht.

    NIF: Ergebnisse von jüngsten Vereinsumfragen bei den Fans zeigen, dass insbesondere die junge Generation mehr gesellschaftliches Engagement der Fußballclubs einfordert. Über welche Qualifikationen und Kompetenzen müsste Ihrer Meinung nach ein moderner Clubmanager des 21. Jahrhunderts verfügen, um seiner gesellschaftlichen Verantwortung, den ökologischen, sozialen und ökonomischen Aspekten der Nachhaltigkeit und den Fans gerecht zu werden?

    Johannes Jäger: Mir steht es nicht zu, das Top Level-Management im Profifußball zu beurteilen – dafür fehlt mir die Innensicht. Meine Idealvorstellung ist jedoch Folgende: Ein Fußball-Manager sollte in erster Linie eine zukunftsfähige Vision und ökonomische Kenntnisse über den Markt Fußball und all die Besonderheiten und Gesetze haben, die Fußballclubs und -verbände von anderen Unternehmen unterscheiden. Dem Innovationsmanagement kommt dabei eine große Bedeutung zu. Fußball ist ein sich stetig veränderndes Geschäft, das ständig neue ökonomische und gesellschaftliche Herausforderungen mit sich bringt.

    Der Manager muss also meiner Meinung nach innovativ und lernfähig sein, um sich in diesem stetigen Prozess zu behaupten. Eine hohe Fußballaffinität und das entsprechende Netzwerk sind Voraussetzung. Fan darf er auch sein. Darüber hinaus sollte ein Manager heutzutage neben herausragenden Führungsqualitäten ein Bewusstsein für die Verantwortung haben, die er mit seinen Entscheidungen gegenüber dem eigenen Unternehmen sowie gegenüber Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt hat. Globalisierung, politische Krisen, Klimawandel, Finanzkrise, demographischer Wandel – all dies sind allgegenwärtige Phänomene, die jeden von uns betreffen und mit denen wir uns beschäftigen sollten.

    Die Implementierung von CSR sollte meiner Meinung nach aber nicht nur die Aufgabe einzelner Manager sein, sondern durch die Schaffung und Verankerung eines entsprechenden Managementsystems von sämtlichen Mitarbeitern und auch externen Stakeholdern auf normativer, strategischer und operativer Ebene umgesetzt werden – abgestimmt auf die Unternehmenswerte, die ökonomischen Strukturen und die Kernkompetenzen der jeweiligen Clubs oder Verbände.

    Das Interview mit Johannes Jäger führte Susanne Blech, Redakteurin und Nachhaltigkeitsexpertin bei Nachhaltigkeit im Fußball.
    Sportökonom & CSR Manager Johannes Jäger

    Sportökonom & CSR Manager Johannes Jäger
    Über Johannes Jäger

    Johannes Jäger (Jahrgang 1990) ist studierter Sportökonom und repräsentiert in der Fußball-Branche den frischen Wind im Bereich nachhaltiger Unternehmensführung. Als passionierter Sportler (selbst ehemaliger Nachwuchsspieler des 1. FC Nürnberg) entschied er sich nach dem Abitur für den Bachelorstudiengang Sportökonomie an der Universität Bayreuth.

    Im Rahmen seines einjährigen Praktikums bei der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH, Direktion Kommunikation, schrieb er seine Bachelorarbeit über die Ziele und Herausforderungen von Corporate Social Responsibility (CSR) im Fußballunternehmen und repräsentierte Bayer 04 Leverkusen beim Premier League Community Outreach Seminar 2013 in Liverpool. Anschließend entschied er sich, mit dem Beginn seines Masterstudiums Sportökonomie für sieben Monate ins Ausland zu gehen, um internationale Erfahrungen im Bereich CSR zu sammeln.

    Nach dem dreimonatigen Work Placement bei den Englischen Premier League Clubs Everton FC und Manchester City FC arbeitete er als Trainee im Projektmanagement der Scort Foundation in Basel, die mit der Football Club Social Alliance ein Netzwerk professioneller Fußballclubs ins Leben gerufen hat, die sich gemeinsam sozial engagieren (Bayer 04 Leverkusen, SV Werder Bremen, FC Basel 1893, FK Austria Wien und Queens Park Rangers FC).

    Johannes Jäger nahm 2014 am Zertifikatslehrgang „CSR-Manager“ der IHK in Nürnberg teil. In seiner Abschlusspräsentation setze er sich mit der strategischen Implementierung von CSR beim Everton FC auseinander. Nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Auslandserfahrungen und des CSR-Lehrgangs steht nun der Abschluss des Masterstudiums bevor.

    Wir bedanken uns bei unserem Partner Nachhaltigkeit im Fußball für die Möglichkeit der Veröffentlichung dieses Interviews. Wenn Sie mehr über Nachhaltigkeit im Fußball erfahren möchten, können Sie hier einige sehr interessante Artikel und Interviews u.a. mit Herrn Dr. Theo Zwanziger lesen. 

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