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    Der organisierte Fußball in Deutschland sucht händeringend Jugendfußballtrainer. Simon Werner und Sven Trimborn sind welche, mit Haltung und Plan. Ohne Ehrenamtler wie sie wäre das deutsche Sportsystem längst kollabiert. Eine Nahaufnahme aus Hamburg.

    Nach 20 Sekunden steht es 2:0 für den Gegner. Ein­ mal haben sie gepennt gleich nach dem Anstoß, dann landet ein abgefälschter Ball im eigenen Netz. „Werdet mal wach!“, ruft Trainer Simon Werner aufs Spielfeld. Könnte nicht schaden, auch wenn der Anstoß in der Mittagszeit lag.

    Wach wird an diesem sonnigen Samstag im Hamburger Nordwesten keiner seiner zehn Jungs aus der jungen F-Jugend des SV Grün-Weiss Eimsbüttel. Eher noch schläfriger. Am Ende steht es 3:11. Simon Werners Freund und zweiter Trainer der Sechs- und Siebenjährigen, Sven Trimborn, hat vom Rand aus freundlich gelobt, was so gerade noch zu loben war, und versucht, sich nicht über den lauten und dominanten Trainer der Heimmannschaft aufzuregen, der pausenlos aufs Feld gebrüllt und seine Spieler zusammengestaucht hat.

    Gerenne und gerangel

    Hinterher versammeln die beiden ihre enttäuschten Kicker und versuchen, ihre Kritik angemessen zu verpacken. Ein ziemlich verdorbener Vormittag. Oder? Die Jungs ziehen nach der Lagebesprechung in der warmen Herbstsonne ihre grünen Trikots aus und spritzen sich aus ihren Trinkflaschen nass. Gerenne, Gelächter, Gerangel. Alles scheint vergessen in ihrer Welt. Aber die Trainer? „Ich bin nach so einem Spiel einfach sauer, enttäuscht“, sagt der 38 Jahre alte Werner, „ich überlege mir aber schnell auch, woran es gelegen haben könnte. Habe ich vielleicht zu viel gesabbelt in der Kabine?“ Man merkt ihm den Frust kaum an. Er bleibt höflich, distanziert, gratuliert dem Gegner. Aber in ihm arbeitet es. Das ist auch beim drei Jahre jüngeren Trimborn nicht anders: „Es sieht vielleicht nicht so aus, aber ich bin das ganze Wochenende total angefressen nach einem blöden Spiel, wenn der Gegner nur mit Kick-and-rush gewinnt.“ Und während die versammelten Fußball-Familien nach dem Spiel auseinandergehen, die Oma besuchen oder ins Schwimmbad, ans Mittagessen denken oder den Abendfilm, sinnieren Simon Werner und Sven Trimborn, was sie nächste Woche Mittwoch und Freitag von 16 bis 17.30 Uhr besser machen können im nächsten Training. Damit ein 3:11 ihrer Jungs so schnell nicht wieder vorkommt.

    Fußball ist mit großem Abstand der beliebteste Vereinssport für Kinder und Jugendliche in Deutschland. Seit 2006 hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mehr als 600.000 Mitglieder hinzugewonnen; fast sieben Millionen Vereinsfußballer gibt es. Während andere Verbände wie der Deutsche Handballbund oder der Deutsche Hockey-Bund trotz großer Erfolge Mitglieder verlieren, spitzt sich beim Fußball eine bedrohliche Entwicklung zu – überall mangelt es an Jugendtrainern. Vor allem in den Metropolen, denn dort drängen auch junge Syrer, Afghanen oder Eritreer in die Klubs: Flüchtlinge, die aus den Unterkünften herauswollen. Längst pflegen Vereine in ganz Deutschland Wartelisten oder verhängen Aufnahmestopps. Darüber berichtete jüngst sogar „Der Spiegel“. Man übertreibt also nicht, wenn man sagt, dass die weitere Entwicklung des Fußballs hierzu­ lande auch von engagierten Ehrenamtlern wie Simon Werner und Sven Trimborn abhängt.

    Pünktlich und höflich

    Fast fünf Jahre haben die Freunde schon gemeinsam an der Seitenlinie und beim Training verbracht, als sie die G-Jugend des Hamburger Vereins SC Victoria von 2010 an bis hoch zur alten E-Jugend begleiteten und aus ihr eine Spitzenmannschaft formten. „Am Anfang mussten wir ihnen die Schuhe zumachen, am Ende waren sie im ‚Ey, Digger!‘-Alter“, sagt Simon Werner, wobei solche Formulierungen bei ihm nichts zu suchen haben. Pünktlichkeit, Höflichkeit, Disziplin: Das ist ihm wichtig. „Die Ausdrucksweise muss stimmen“, sagt er, „sie sollen sich unter­ einander respektvoll verhalten.“ Sein Trainerkollege Trimborn

    ergänzt: „So wie wir nicht mit dem Kaffee auf dem Trainingsplatz stehen, sollen die Jungs nicht mit Cola zum Treffpunkt kommen, hinterher Eistee trinken oder zwischen zwei Turnierspielen eine Bratwurst essen.“

    Weil Simon Werners älterer Sohn Anfang 2016 von Victoria zum FC St. Pauli wechselte und die Mannschaft zerstob, beendeten Werner und Trimborn ihre Tätigkeit dort. Nach ein paar Überlegungen ging dann im März 2016 alles von vorn los – bei GW Eimsbüttel, einem kleinen Klub im Hamburger Westen, bei dem Werner in der Jugend im Tor stand. Er hat drei Kinder, und seinen jüngeren Sohn nahm er in die neue Mannschaft mit. Seine Frau betreut die Mannschaft aus zwölf kleinen Kickern und vielen neugierigen Eltern im Hintergrund, ist aber nicht gerade begeistert von jedem zusätzlichen Fußball-Termin, und mit einem Lächeln sagt er: „Wir haben zu Hause oft Diskussionen. Fußball ist seit sechs Jahren ein Riesenelement. Da ist nix mit Ausflügen an die Ostsee. Es ist ja jedes Wochenende mindestens ein Spiel. Da muss man sich schon mal zusammensetzen.“ Trimborn nickt bekräftigend; er hat auch Familie mit zwei Kindern. Er stand als erfolgreicher Amateurfußballer an der Schwelle zum Profitum, doch der Schritt zum FC St. Pauli missglückte. Wann immer möglich, leiten die beiden die Trainings zusammen, sind bei Spielen und Turnieren beide anwesend. Sie bekommen dafür: nichts. Nicht einmal eine Aufwandsentschädigung.

    Der originale Artikel ist in der Dezember Ausgabe von „Sportdeutschland - das Magazin des Deutschen Olympischen Sportbundes“ erschienen. Der zweite Teil des Artikel wird nächste Woche auf GlobalSportsJobs publiziert.

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