Welche Sportveranstaltungen braucht die Welt?
In einem Monat beginnen sie also, die Olympischen Winterspiele in Sotschi; die „Jugend der Welt“ vereint sich dort, um ihre Besten zu ermitteln, und das ist gut so. Sport ist immer noch eine völkerverbindende Maßnahme, auch wenn dieser – paradoxerweise – ebendort in Hochsicherheitszonen ausgeübt wird. Doch über das Pro und Contra von Olympischen Winterspielen in Sotschi ist schon viel geschrieben worden, und es wird in den nächsten Wochen und Monaten noch viel mehr dazukommen. Deswegen will mein Blick von Sotschi abschweifen.
Kaum jemand stellt wohl in Abrede, dass Olympische Spiele zum Kulturgut der Menschheit gehören, dass Welt- und Kontinentalmeisterschaften wertvoll und notwendig, dass Weltcupserien spannend und (meistens) attraktiv sind. Die Besten wollen sich messen, mit ihresgleichen, weswegen es auch verschiedene Jugend- und Juniorenmeisterschaften gibt. Alles gut und recht.
Doch sogar der tatsächlich geübte Sportinteressierte verliert zuweilen den Überblick, wenn es um PanAms, Asienspiele, Europaspiele (ab 2015), European Youth Olympic Festivals, Youth Olympic Games, Commonwealth Games, Lusofonia Games oder Universiaden usw. – und das meiste davon auch zweifach, Sommer wie Winter - geht.
Vor wenigen Wochen war ich bei der Winter Universiade Trentino 2013 in Italien beruflich im Einsatz, und wer sagt, dass es lediglich eine Veranstaltung zweiten Ranges, kleine Olympische Spiele meinetwegen, waren, hat ja nicht so Unrecht. Oder können Sie mir drei Goldmedaillengewinner in Einzeldisziplinen benennen? Dennoch war es eine Super-Veranstaltung mit wahren Superstars, wie beispielsweise der Tschechin Martina Sablikova, zweifache Eisschnelllauf-Goldmedaillengewinnerin von Vancouver, oder der russischen Curling-Mannschaft der Frauen, die auch in Sotschi antreten wird. Da waren 3000 Aktive an elf Wettkampstätten im Einsatz, da waren rund 500 Journalisten vor Ort, 30 davon aus China, 20 aus Russland, da übertrugen beispielsweise der Staatssender RAI auf seinem Sportkanal und Eurosport je 80 Stunden live. Die Universiade war ein Weltereignis – und ging dennoch fast spurlos an Sportinteressierten vorüber.
Ginge es nicht in erster Linie um den Sport und um die Sportler, die in den Wettkämpfen den Sinn des täglichen Trainings sehen, dann könnte man auch salopp sagen: abschaffen! Doch auch die Universiade hat sich etabliert, existiert bereits seit 1959, und die ausrichtende Institution, die Fédération internationale du sport universitaire (FISU), hat ihre Wurzeln nahe dem IOC. Pierre de Coubertin gründete die eine Organisation, Français Jean Petitjean legte die Basis für die andere. Das Duo kannte sich, mehr noch, war befreundet.
Heute arbeiten IOC und FISU eng miteinander zusammen, wenn es um Fragen von Bildung und Sport geht. Während der Winterspiele in Sochi werden sich die beiden Präsidenten vielleicht informell, danach sehr formell treffen. Claude-Louis Gallien möchte mit Thomas Bach darüber sprechen, inwiefern beide Organisationen noch näher zusammenrücken können. „Sie sprechen den globalen Sport an, wir ein Segment, jene der Sportstudenten. Sie haben die Macht, wir das Netzwerk“, sagt Gallien, und fast klingt es, als wäre seine FISU ein Start-up, das von Microsoft oder Apple gekauft werden möchte. So ist es nicht. „Wir könnten komplett eigene Wege gehen, und wir würden auch gute Sponsoren-Verträge an Land ziehen können. Doch in Zeiten wie diesen, Zeiten des Umbruchs, ist es nicht gut, allein zu sein.“
Und dann sagt Gallien, wo tatsächlich die Vorteile eine Verbindung von IOC und FISU liegen könnten: wenn die Universiade eingegliedert würde zwischen YOG und Olympischen Spielen, also eine weitere Heranführung von Athleten an den Olymp des Sports wäre. Wenn es eine Kooperation in der (immer herausfordernder werdenden) Suche nach Ausrichterstädten gäbe – wären die Events in den gleichen Städten, dann könnte die FISU Vorarbeiten leisten was Training der Mitarbeiter und Verbesserung der Infrastruktur angeht.
Sportveranstaltungen – gleich welcher Art - müssen zuallererst für Athleten und Athletinnen Sinn machen. Wenn sie zusätzliche positive Nebeneffekte oder Synergien erzeugen, dann wird dies allen (oder fast allen) recht sein. Wenn sie von einer breiten Masse rund um den Globus wahrgenommen werden, dann ist es ein Triumph. Dann hat die Welt, und nicht nur die Athleten, Sportveranstaltungen, die sie tatsächlich braucht.
Egon Theiner
Communications Specialist