„Allen Menschen wohlgetan, ist eine Kunst die niemand kann“! Dieses alte deutsche Sprichwort sollten nicht nur viele Manager von Fußball-Clubs und Unternehmen wieder beherzigen, sondern auch die Vorsitzenden von Parteien, vielleicht auch Sigmar Gabriel.
Wenn man, wie er, auf zu vielen Hochzeiten tanzt, gleichzeitig Parteivorsitzender, Minister für Wirtschaft und Energie, sowie Vizekanzler ist, verliert man schnell mal den Überblick und auch sein Profil. Ist man jetzt „der Genosse der Bosse“, oder der Vorsitzende einer Partei, deren Wähler soziale Gerechtigkeit statt zunehmende Ungleichheit fordern? Oder lässt man sich aus Machtstreben gefallen, dass man nur noch „Juniorpartner“ in einer Regierung wahrgenommen wird und damit austauschbar und beliebig?
In so einem Fall empfiehlt sich auch mal der Blick in die Welt des Fußballs, in dem Vereine mit ähnlichen Schwierigkeiten kämpfen. Nämlich dem Versinken ins Mittelmass und dem damit verbundenen Verlust von Fans und Sponsoren. Um den drohenden Abstieg zu vermeiden, heißt in beiden Lebenswelten das Zauberwort „Fokussierung“, und dass „Vorher Überlegen nachher überlegen macht“, stimmt immer. Egal, ob „auf dem Platz“, in Unternehmen oder in Parteizentralen.
Vereine wie der SC Freiburg (aber auch der FC St. Pauli und die „Lilien“ aus Darmstadt) machen es vor, wie es gehen und wie man SIEGER werden kann. Wobei das „Siegen“ nicht mit kurzfristigen Erfolgen verwechselt werden sollte, sondern mit langfristiger, nachhaltiger Positionierung, auch unter dem Akzeptieren von kurzfristig auftretenden Rückschlägen. Und wenn wir über "SIEGER" in den entsprechenden Lebenswelten sprechen, lautet dazu meine entsprechende "Übersetzung" wie folgt:
S = Strategie und System.
Nicht wie alle anderen sein, sondern eigenständig und besonders, aber trotzdem beständig und berechenbar. Die eigenen Stärken richtig einsetzen, ein eigenes System entwickeln und konsequent durchziehen. Beim SC Freiburg weiss man zum Beispiel ganz genau, dass man mit den finanzstarken Gegnern nicht mithalten kann, und mit anderen „Pfunden“ wuchern muss. Dies sind die exzellente Nachwuchsarbeit in einem vorbildlichen Ausbildungszentrum mit hervorragenden Trainern und die ganz besondere Breisgauer Atmosphäre. Gerade bei jungen, talentierten, willigen Spielern hat sich herumgesprochen, dass Freiburg ein exzellentes Sprungbrett in der eigenen Karriere sein kann und sie im dortigen „Biotop“ in Ruhe reifen können. Auch deswegen kann der Club immer wieder die entsprechenden Abgänge zu anderen Vereinen verschmerzen, weil für jeden Spieler der für viel Geld wechselt, schon zwei andere darauf warten, die entstandene Lücke zu schliessen. Für die SPD und Sigmar Gabriel könnte man die Fußballer-Weisheit anführen, dass „das Tor zwar in der Mitte steht“, die Spiele aber über Aussen gewonnen werden. Und wenn die Spieler zu früh und zu stark in die Mitte drängen, wird dort der Platz eng, sie behindern sich gegenseitig und der Gegner hat leichtes Spiel.
I = Identität.
Der wichtigste Baustein, wenn man sich im Markt behaupten möchte und auf den „Goodwill“ seiner Kunden oder Wähler angewiesen ist. Wo komme ich her, was sind meine Wurzeln, auf was und wen kann ich mich verlassen, welche Kultur wird gelebt? Immer das Profil und die Erwartungen der eigenen Fans im Zentrum der gewählten Strategie, nicht das Herz und die Seele - den Charakter – der eigenen Organisation verraten und verkaufen. Menschen (Trainer, Spieler, Führungskräfte) auswählen, die sich zu 1000% mit dem eigenen Team identifizieren, und eben keine "Söldner" sind. Hier machen die Menschen in Führungspositionen tatsächlich den Unterschied zwischen SIEGERN und Verlierern aus. Authentisches, glaubwürdiges Auftreten, das Vermitteln der Werte, für welche die jeweilige Organisation steht, das ist die Erwartungshaltung der Anhänger und die Erfolgsfaktoren. Und wenn wie in Freiburg, St. Pauli, Dortmund, oder „auf“ Schalke Eigenschaften wie „malochen“, Zusammenhalt und Bodenständigkeit im Vordergrund stehen, dann sind diese bei der Kaderzusammenstellung, Auswahl von Führungskräften und bei der anschliessenden Umsetzung ebenfalls in den Mittelpunkt der Aktivitäten zu stellen.
E = Enge Zusammenarbeit.
„Stinkstiefel“ werden nicht nur „auf dem Platz“ gemieden und geraten schnell ins Abseits. Verein kommt ja auch von Gemeinsam/Vereinigt und eben nicht von Streit und Zank. Wenn man sich diesen Grundsatz vor Augen hält, dann verwundert einen nicht mehr das Abschneiden von Clubs wie dem HSV (zwischenzeitlich mal als „Hamburger Streit Verein“ bezeichnet…), den „Löwen“ (1860) aus München, oder den Problemen des VfB aus Stuttgart. Wenn Eifersüchteleien, Profilierungssucht und das Erzielen von persönlichen Vorteilen die Handlungen und Entscheidungen der Führungsmannschaft bestimmen, dann ist es zwangsläufig, dass man immer mehr Anhänger verliert. Und wie schnell das gehen kann, ist aktuell bestens an der Koalition zwischen den beiden „Christlichen“ Parteien zu beobachten. Ein Bild von Einigkeit und Geschlossenheit sieht anders aus, anscheinend verfolgt hier jeder „Spieler“ seine eigene Agenda. Die entsprechende „Gelbe Karte“ der WählerInnen bei den Landtagswahlen hat dann konsequenterweise nicht lange auf sich warten lassen.
G = Geradlinigkeit.
Nicht nur in der Politik haben die Menschen ein sehr feines Gespür dafür, wer einen festen Standpunkt, Haltung und Rückgrat besitzt, oder wer populistisch „sein Fähnchen in den Wind hält“, nur um sein nächstes Mandat zu sichern. Winfried Kretschmann in Baden Württemberg, aber auch Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz sind Beispiele für das Halten eines klaren Kurses und nicht das Schielen auf „Tabellenplätze“ oder Meinungsumfragen. Beide haben im Rahmen der Diskussion über Schutz suchende Menschen unbeirrt ihre Haltung gezeigt und die Werte (Solidarität mit Schwachen, Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft) vertreten, die unsere Gesellschaft zusammenhalten. Und damit eben genau das, für was ihre „Fans“ ebenfalls stehen und von ihren Repräsentanten erwarten.
E = Einsatz.
„Nur wer selbst brennt, kann Feuer bei anderen entfachen!“ Getreu dieser Empfehlung von Augustinus basiert Erfolg auf Leidenschaft, Inspiration und Vorbild sein. Morgens der Erste, Abends der letzte, ist hier der Anspruch an die Verantwortlichen am „Spielfeldrand“. Vorleben statt nur „Vorbeten“, nicht von anderen verlangen, was man selbst nicht bereit ist zu tun. Selbstdarsteller, die sich bei Erfolgen in den Vordergrund drängen und bei Misserfolgen die Schuld beim Team suchen, werden deswegen als Führungspersönlichkeiten nicht akzeptiert, ob „an der Seitenlinie“, in der Politik, oder als Manager im Unternehmen. Sich nicht unterkriegen lassen, leidenschaftlich für seine Ziele kämpfen, dies sind Eigenschaften erfolgreicher Menschen. Hier muss ich nur Freiburgs Trainer Christian Streich anführen, alles erklärt. Oder Pep Guardiola, Jürgen Klopp, Dirk Schuster, oder Thomas Tuchel.
R = Reagieren.
Im letzten Jahr abgestiegen: Na und! Der SC Freiburg steht immer noch auf wirtschaftlich stabilen Beinen, hat den Bau eines neuen Stadions und den Wiederaufstieg fest im Blick. Dies bestimmt auch, weil er trotz erlittener Rückschläge keinen Millimeter von seinen Wurzeln und seiner Strategie abgewichen ist. Oft scheitern die besten Strategien nämlich an den Mühen des Tagesgeschäftes und dem Rückfall der Beteiligten in alte Verhaltensmuster und Bequemlichkeiten. Auf dem Weg zum gesteckten Ziel gehört deswegen Durchhaltevermögen genauso dazu, wie das Reagieren auf unvorhergesehene Ereignisse. Dabei ist es wichtig, im ständigen Kontakt mit der Mannschaft zu bleiben, auf die Einhaltung der besprochenen und vereinbarten Massnahmen zu achten und die gewählte Strategie laufend an den aktuellen Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren zu messen. Hektische Anpassungen sind dabei genauso fehl am Platz, wie das sture Festhalten am einmal gewählten Kurs, mit der Hoffnung, dass der „drohende Eisberg“ von alleine verschwinden wird.
Nach diesen „Buchstaben“ könnte man die Zusammensetzung des SIEGER-Gens beschreiben, wie sollte jetzt Sigmar Gabriel auf die verteilten „Denkzettel“ in den letzten Wahlen reagieren? Auf jeden Fall die (Rück) Besinnung auf die Wurzeln, Identität und Zielgruppen seiner Partei, auch mit starkem Fokus auf den Buchstaben „S“, wie Sozial. Eine einfache Analyse der letzten Landtagswahlen würde dabei helfen. Auf Basis der vorliegenden Auswertungen kommen die Hauptwähler einer anderen, sogenannten „Alternativen“ Partei nämlich hauptsächlich aus der Stammwählerschaft der SPD. Über 30% dieser Wähler sind Arbeiter oder Arbeitssuchende und damit die Menschen, die nicht gerade zu den Wohlhabenden unserer Gesellschaft gehören. Viele von ihnen fühlen sich „abgehängt“, nicht ernst genommen und erleben immer stärker, dass sie trotz harter Arbeit nicht vernünftig von ihrem Lohn leben können. Um diese Menschen hat sich gerade eine Partei besonders zu kümmern, die in ihrem Namen den Anspruch trägt, für einen fairen Ausgleich zwischen Leistung und Gegenleistung zu sorgen. Und vielleicht hilft Sigmar Gabriel auch die Aufmunterung eines besonderen „Fußball-Philosophen“, Stefan Effenberg: „Die Situation ist zwar aussichtslos, aber nicht kritisch!“
Potsdam, 19.03.2016: Dies ist ein Gastbeitrag vom Manager, Redner & Fußballfachmann Ernst Holzmann. Wollen Sie mehr von Ernst Holzmann erfahren oder lesen, dann klicken Sie hier.