Borussia Dortmund arbeitet an einem digitalen Großprojekt. Es wird ein Data- Warehouse entstehen, die digitalen Prozesse und Touchpoints werden optimiert. Was genau der BVB vor hat, erklärt Sebastian Frank, Head of CRM, eCommerce & Service.
Der Digitalbereich bei Borussia Dortmund wurde bzw. wird personell ein wenig umgebaut. Wie sieht der aktuelle Stand aus?
Sebastian Frank: Ende vergangenen Jahres haben wir die in der Zwischenzeit sehr gewachsene Aufgabenlandschaft im Digitalen neu geordnet. Aus der Abteilung Neue Medien/CRM sind zwei eng miteinander verzahnte Abteilungen mit jeweils klar definierten Zielsetzungen entstanden. Simon Mayr verstärkt seit November 2018 unser Team als Abteilungsleiter für Digitales und Innovationen; er kümmert sich vornehmlich um unsere Digital- Strategie, um digitale Geschäftsmodelle und die Steuerung der digitalen Plattformen mit Fokus auf Reichweite und Interaktion. Ich verantworte den zweiten Part, die Abteilung CRM, E-Commerce & Service. Die Kernaufgabe der Abteilung ist die Sicherstellung einer optimalen schwarzgelben User Experience auf den digitalen Plattformen und im persönlichen Kontakt mit dem BVB-Serviceteam. Die Zufriedenheit und langfristige Bindung unserer Fans stehen dabei im Vordergrund. Wir unterstützen die wertschöpfenden Teams wie Merchandising, Ticketing usw. unter anderem mit Performance- Kampagnen dabei, ihre Ziele zu erreichen. Wichtigste Grundlage dafür bildet unsere interne System- und Datenlandschaft, die wir gemeinsam mit dem Team unseres Abteilungsleiters IT Patrick Hansmeier zukunftsgerichtet optimieren werden.
Es gibt ein großes Projekt, an dem der BVB in diesem Bereich arbeitet…
Richtig, wir haben viel Zeit investiert, die Weichen für unsere ERP- und CRM-Systemlandschaft neu zu stellen. Durch die sportliche Entwicklung ist unsere Organisation rasant gewachsen. Um den BVB zukunftsfähig aufzustellen und den immer größer werdenden Anforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden, haben wir gemeinsam mit externen Beratern zwei Ausschreibungen durchgeführt, an der globale Anbieter teilgenommen haben. In dem dreistufigen Prozess hat sich am Ende Infor in beiden Themen durchgesetzt. Unabhängig von der bestehenden Sponsoring-Partnerschaft mit Infor war es für uns oberste Priorität, eine objektive Entscheidung über die Auswahl der Herzstücke unserer Systemlandschaft zu treffen. Umso mehr freut es uns, dass sich unser Partner nicht nur mit besonders viel Herzblut für den Verein, sondern auch mit einem sehr guten Leistungsversprechen durchsetzen konnte. Ein starker Fokus auf die performante Cloud, die nutzerorientierte Entwicklung der Software sowie die vielseitig einsetzbare Integrationsplattform „Infor ION“ haben uns letztlich total überzeugt.
Es entsteht ein Data-Warehouse, an das alle Bereiche angeschlossen sind. Warum ist das für euch notwendig?
Weil „Daten“ für unsere Mitarbeiter „Wissen“ bedeuten. Wissen über die Beziehung zwischen unserem Verein und der Person, mit der sie gerade in Kontakt sind; Wissen über die Bedürfnisse und Erwartungen der Zielgruppen, an die unsere Mitarbeiter kommunizieren möchten. Hier muss ich vielleicht etwas ausholen: Zum einen sieht sich unsere Gesellschaft durch die Entwicklung digitaler Plattformen einer Flut an Kommunikation und Informationen ausgesetzt. Der Algorithmus von Facebook zeigt sehr deutlich, wie groß der Kampf um die Präsenz in der persönlichen Timeline unserer Fans ist. Aufmerksamkeit ist dabei die neue Währung. Wir müssen als Verein den Fokus auf individuelle Kommunikation, persönliche Ansprache und relevante Inhalte für unsere Fans auf allen Kanälen legen. Es wird in Zukunft immer mehr darum gehen, genau solche Inhalte anzubieten, die die unterschiedlichen Adressaten auch wirklich interessieren. Und um diese Zielgruppen besser definieren zu können, um ihre Wünsche und Bedürfnisse zu verstehen, benötigen unsere Mitarbeiter einen ganzheitlichen Zugriff auf die vorhandenen Informationen in Datenbanken. Zum anderen merken wir, dass die Erwartung der Fans an unsere Dienstleistungsqualität weiter steigt. Globale Unternehmen wie Amazon und Google setzen immer höhere Standards in Sachen Geschwindigkeit, Komfort und Kundenorientierung. Wir, die wir mit diesen Plattformen tagtäglich arbeiten, wissen, dass man seine persönlichen Daten zu jederzeit an allen digitalen Kontaktpunkten verfügbar hat. Das Meiste ist ganz einfach miteinander verknüpft und nativ auf mobilen Endgeräten abrufbar. Einen ähnlichen Komfort möchten wir auch bieten. Und mehr noch: Der Einsatz eines Data-Warehouse hat auch damit zu tun, die Sicht unserer Fans einzunehmen. Von außen betrachtet gibt es nämlich genau einen BVB. Wenn ich als Fan bei meinem Lieblingsverein anrufe, interessiert es mich nicht, in welcher Abteilung ich gerade gelandet bin. Ich möchte nicht mein Problem mehrfach wiederholen und an zuständige Mitarbeiter weitergeleitet werden, sondern möglichst schnell einen persönlichen Kontakt mit einer kompetenten Lösung erhalten. Gleiches gilt auch für Gespräche mit Angestellten in unseren Fanshops und im Stadion. Diesen berechtigten Anspruch können wir nur realisieren, wenn unsere Mitarbeiter auf die relevanten Daten bzw. die in der Situation benötigten Informationen schnell und unkompliziert zugreifen können. Diese Möglichkeiten schaffen wir gemeinsam mit Infor.
Die Daten werden in Zukunft komplett in einer Cloud gespeichert sein, unter anderem um eine rasche Skalierung zu ermöglichen. Wie seid ihr damit bislang umgegangen? Wie haben sich sportliche Großereignisse darauf ausgewirkt?
In der Vergangenheit sind wir gut damit gefahren, unsere Plattformen auf eigenen Servern zu betreiben. Das hatte viele Vorteile, führte vereinzelt aber auch zu Problemen. In Zeiten von sportlichen Erfolgen haben wir oft ein Vielfaches an Zugriffen auf den Webseiten. Da mussten unsere Fans schon das ein oder andere Mal warten, bis die Login-Seiten wieder verfügbar waren und sich der erste Ansturm gelegt hatte. Mit den neuen Systemen soll sich das ändern. Infor konnte uns sehr gut darlegen, dass sich die Cloud-Angebote mittlerweile so weit entwickelt haben, dass man Daten auch auf externen Servern ablegen kann. Natürlich liegt dabei die allerhöchste Priorität darauf, alle Datenschutzrichtlinien nach DSGVO einzuhalten, um den Schutz unserer Daten zu garantieren. Die Server stehen nicht nur in deutschen Rechenzentren, sondern sind darüber hinaus komplett von Zugriffen Dritter abgeschirmt. Das birgt weiterhin den Vorteil, dass unserer IT weniger Aufwendungen für Wartung und Betrieb entstehen. Außerdem erreichen wir damit auch deutliche Skalierungsvorteile, wenn es wieder – und das wünschen wir uns natürlich alle – zu großen sportlichen Erfolgen kommt.
Wie überprüft ihr die User Experience und wie wichtig ist dieses Thema für euch? Wird laufend an deren Verbesserung gearbeitet?
Die Meinung unserer Fans ist uns nicht nur sehr wichtig, sie teilen uns diese dank ihrer großen Bindung an den Verein zum Glück auch sehr gerne mit. Die Entwicklungen in der Digitalbranche spielen uns da sehr in die Karten. Die Optimierung der User Experience anhand von Daten und Nutzer- Feedback wird zukünftig im Vordergrund stehen, um mit unseren Angeboten echte Mehrwerte für Fans und Nutzer der Angebote zu schaffen. Wir führen bereits viele Gespräche, um externe Bewertungen und Rückmeldungen als Erfolgskennzahl für unsere Projekte zu manifestieren. Unser Serviceteam beantwortet pro Jahr ca. 150.000 Anfragen per Mail, Telefon, Brief und Social Media. Da steckt so viel wertvolles Feedback drin, das wir intern aufbereiten und nutzen können, um die digitalen Angebote genauso zu optimieren wie die Abläufe am Spieltag in unserem Stadion.
Dein Arbeitsbereich hat speziell mit dem Sammeln, Konsolidieren und Nutzen von Daten zu tun. Welche Daten sammelt ihr und wie arbeitet ihr mit diesen Daten?
Der Begriff „Daten sammeln“ ist aus meiner Sicht nicht mehr die richtige Bezeichnung für unsere Arbeit. Als Fußballverein haben wir eine ganz andere Rolle als digitale Werbeplattformen wie Amazon und Google, die Daten sammeln, um Werbetreibenden möglichst facettenreiche Ausspielungsmöglichkeiten zu bieten – je mehr, desto besser. Wir fokussieren uns vielmehr darauf, möglichst viele und relevante Mehrwerte für Fans, Sponsoren und andere Interessensgruppen zu schaffen. Daher sammeln wir in erster Linie Kontakte unserer Fans, um eine größere Reichweite aufzubauen und die Interaktionen mit unseren Anhängern zu intensivieren. Ansonsten entstehen mittlerweile an fast allen Kontaktpunkten von Borussia Dortmund Daten, die man verarbeiten und nutzen kann. Das geht von den Webseiten über Apps bis zum Eintritt in den SIGNAL IDUNA PARK und die Nutzung des dortigen WLANs. Hier möchten wir unsere digitalen Angebote dahingehend ausweiten, das intensive Fußball-Erlebnis inhaltlich zu begleiten sowie den Besuch am Spieltag möglichst angenehm und unkompliziert zu gestalten. Möglichst automatisiert und dennoch persönlich soll das Marketing ablaufen.
Was kann der BVB in diesem Zusammenhang leisten? Welcher Nutzen entsteht für Fans, Partner und für den BVB selbst?
Über ihren hohen Stellenwert hinsichtlich Relevanz und persönlichen, auf den Fan zugeschnittenen Inhalten hinaus, können wir neue Plattformen auch dafür nutzen, die Effizienz unserer Arbeit deutlich zu steigern. Während die Aufwände für Angebote und Kampagnen bisher dadurch geprägt waren, alles auf einen bestimmten Moment der Veröffentlichung vorzubereiten, bieten sich mittlerweile viel weitreichendere Möglichkeiten.
Durch Algorithmen, Re-Marketing, Affiliate und Co. können wir jetzt zur richtigen Zeit die richtige Botschaft an die richtige Person automatisiert versenden und damit die Erfolgsquoten deutlich steigern.
Nicht nur Fans profitieren davon, weniger nicht-relevante Inhalte zu sehen, sondern auch Partner und Sponsoren können auf diesem Wege ihre Botschaften zielgerichteter ausspielen.
Wie sehr hast du bzw. habt ihr als Verein Einblick in die Arbeit anderer Klubs im Fußball oder in anderen Sportarten in diesem Bereich?
Bei aller Konkurrenz auf dem Rasen tauschen wir uns mit anderen Klubs regelmäßig über Entwicklungen, Chancen und Potenziale im Digitalbereich aus. Häufig stehen wir vor den gleichen Problemen, haben aber andere Voraussetzungen. Und manchmal hat jemand bereits ein Thema gelöst, von dem sich die anderen Klubs etwas abschauen können.
Zum Abschluss noch einmal zurück zum großen Projekt mit Infor. Wie sieht der Zeitplan dafür aus? Wann ist man „fertig“, soweit man überhaupt je von fertig sprechen kann.
In dieser Hinsicht hat sich im digitalen Projektmanagement in den vergangenen Jahren einiges verändert. Auch wenn man bei Projekten mit einem klaren Start- und Endpunkt arbeitet, haben wir keinesfalls den Anspruch, an jenem Endpunkt auch mit allem „fertig“ zu sein. Dafür entwickelt die digitale Welt zu schnell neue Möglichkeiten und Herausforderungen. Wir haben einen agilen Projektansatz gewählt und sind gerade dabei, die strategischen Vorbereitungen und Bestandsaufnahmen abzuschließen. Unseren CRM-Scope legen wir zunächst auf die nächsten sechs bis acht Monate. Unser Ziel ist es, den Mitarbeitern so schnell es geht ein funktionierendes System mit überschaubarem Funktionsumfang zur Verfügung zu stellen und dieses anschließend in wöchentlichen Phasen Stück für Stück gemeinsam mit den Mitarbeitern weiterzuentwickeln.
Das Interview erschien in der aktuellen FUSSBALL BUSINESS. Hier geht es zur Ausgabe http://bit.ly/FUSSBALLBUSINESS14.