Vor gut einem Jahr wurde Nadine Kessler als Weltfussballerin des Jahres 2014 ausgezeichnet.
Im Interview lässt die deutsche Nationalspielerin den grossen Moment Revue passieren und spricht über die positive Entwicklung des Frauenfussballs.
Nadine Kessler, was hat sich für Sie nach der Wahl zur Weltfussballerinnen des Jahres 2014 verändert?
Nadine Kessler: Der Ballon d’Or ist eine Auszeichnung, die in der ganzen Welt wahrgenommen wird. Dementsprechend nahm auch die mediale Aufmerksamkeit zu. Es war gigantisch, wie viele Anfragen nach der Verleihung auf uns zukamen und welche Wellen der Titel schlug.
Wann haben Sie realisiert, dass Sie die beste Spielerin der Welt sind? Erst als ich nach der Gala Zeit hatte, mit Freunden zusammensass und die Freude von denjenigen wahrnahm, die mich auf meinem Weg begleitet haben, habe ich die Bedeutung begriffen.
Wo hat die Trophäe ihren Platz gefunden?
Sie ist in meinem Wohnzimmer so platziert, sodass ich sie jeden Tag bewundern kann.
In Ihrem Heimatdorf wurde Ihnen eine ganz besondere Ehre zuteil. Wie reagierte die Gemeinde auf die Auszeichnung?
Weselberg in der Pfalz hat mich im Rahmen unseres Dorffestes eingeladen und mir tatsächlich einen Platz gewidmet, den Nadine-Kessler-Platz. Er befindet sich direkt bei meinem früheren Bolzplatz, mit dem ich sehr viele Erinnerungen aus meiner Kindheit verbinde.
Wenn Sie an die Gala in Zürich zurückdenken, was sind die Bilder, die geblieben sind?
Der Event als Ganzes wird mir immer in Erinnerung bleiben. Dazu gehört sicherlich der Moment, als ich auf die Bühne ging. Ich hatte mit der Situation überhaupt nicht gerechnet und musste mich erst einmal sammeln, um vor so vielen Zuschauern die richtigen Worte zu finden. Die ersten Glückwünsche, die mich erreichten, und der erste Anruf von zu Hause werde ich ebenfalls immer in mir tragen.
Sie standen im Kongresshaus einige Zeit neben Cristiano Ronaldo. Kommt man da ins Gespräch – von Königin zu König?
Wir hatten die Möglichkeit, uns kurz zu unterhalten. Es gab auch viele nette Glückwünsche von ehemaligen Profispielern wie Clarence Seedorf oder Thierry Henry, die mich sehr gefreut haben.
Es gab eine Gratulation, die Sie besonders berührt hat – die von Pavel Kuka. Was hat es damit auf sich?
Pavel Kuka war mein Idol. Er war derjenige, der mich zum Fussball und zu meinem Heimatverein, zum 1. FC Kaiserslautern, gebracht hat. Ich war als Kind immer im Stadion, und er hat mich aus der Menge geholt, sobald er mich gesehen hat. Er war ein toller Sportler und ist ein toller Mensch. Nach dem Ballon d’Or war er einer der Ersten, der mir gratuliert hat. Es war eine sehr emotionale Nachricht, der er einen Brief beifügte, den ich ihm mit sieben Jahren geschrieben hatte. Er hat ihn mit nach Tschechien genommen und bis heute aufbewahrt.
Nach der Verleihung des Ballon d’Or lief es für Sie sportlich nicht optimal. Sie haben mit einer schweren Verletzung zu kämpfen. Wie verläuft die Genesung?
Zum aktuellen Zeitpunkt kann man dazu leider nichts sagen. Ich habe in meiner Karriere schon sehr viele Verletzungen erlebt. Deshalb geht es nicht mehr darum, wann man zurückkommt, sondern ob. Ich versuche alles, damit ich irgendwann wieder auf dem Rasen stehen kann.
Glauben Sie mit Blick auf die WM in Kanada, dass der Frauenfussball einen Schritt nach vorne gemacht hat?
Im Vorfeld der WM wurde viel Kritik geübt hinsichtlich der Aufstockung der Mannschaften, aber ich glaube, das Turnier hat diese Kritik widerlegt. Es gab so viele Teams, die hervorragende Leistungen gezeigt haben. Es muss das Ziel sein, mehr Sportlerinnen die Möglichkeit zu bieten, sich auf dieser internationalen Bühne zu beweisen, um auf ein anderes Level zu kommen. Das wird die Spitze breiter machen und den Frauenfussball aufwerten.
Ausser in Deutschland, England, Schweden und Norwegen tut sich der Frauenfussball in Europa dennoch schwer. Was fehlt?
Für unseren Sport wäre es meiner Meinung nach wichtig, länderübergreifend zu denken und sich auszutauschen, damit alle an einem Strang ziehen und sich in die gleiche Richtung bewegen. Am Anfang müssen grundlegende Strukturen stehen. Es gibt Klubs, die unter guten Bedingungen arbeiten können, aber es gibt auch viele Klubs, die kämpfen müssen. Was die Frauen dort neben ihrer professionellen Karriere leisten, ist bemerkenswert. Die Lücken in den Ligen sind einfach noch viel zu gross.
Hat der Frauenfussball in den letzten Jahren an Akzeptanz gewonnen oder muss er immer noch darum kämpfen, respektiert zu werden?
Ich denke, unsere Leistung steht immer mehr im Fokus. Die Leute nehmen das wahr und sagen: “Frauenfussball hat sich entwickelt. Er ist athletischer und technisch besser geworden. Viel mehr Nationen spielen mit und sorgen für spannende Partien.” Man spürt das als Spielerin — auch in Bezug auf Sponsoren und TV-Übertragungen.
Was können Sie als Spitzenfussballerin dafür tun, dass die Entwicklung weiter vorangeht?
Die sportliche Leistung steht immer an erster Stelle. Darüber hinaus sollte jede Spielerin den Mut entwickeln, ein eigenes Profil zu haben und das, was sie sich für sich wünscht, offen zu kommunizieren.
Wie würden Sie Werbung für Ihren Sport betreiben und ein kleines Mädchen davon überzeugen, Fussballerin zu werden?
Wenn ich über meine Sportart spreche, dann ist das sehr emotional. Und genau das ist es, was den Fussball auszeichnet und was ich versuchen würde zu vermitteln. Fussball verbindet und weckt Emotionen.
Zurück zum Ballon d’Or: Wie beurteilen Sie die Chancen von Carli Lloyd, Aya Miyama und Celia Sasic, die drei Nominierten zur diesjährigen Wahl?
Jede hat auf ihre Art Herausragendes geleistet und deshalb die Nominierung verdient. Ich bin gespannt, wer das Rennen machen wird.
Dieser Artikel wurde von der FIFA zur Verfügung gestellt. Um den Original Artikel zu lesen, klicken Sie hier.